Russische Fernschachvereinigung
 
 
Internationales Fernschach-Open im Andenken an A. L. Al'pert
 
 
Schach ist so mannigfaltig
(A. L. Al'pert über Fernschach)
 

Fernschachspieler nutzen tatsächlich Schachcomputer für ihre Fernpartien - dies ist eine unumstößliche Tatsache! Wenn ein Schachspieler nicht gegen einen Computer spielen will, dann spielt er (oder sie) Nahschach oder Online-Schach im Internet.

Alle Demonstrationsspiele von Super-Großmeistern gegen Schachcomputer haben keinerlei Beziehung zur Vielfalt im Schach. Und Tatsache ist, daß ein Kasparow oder Kramnik gegen einen Computer regelgetreu spielen muß (berührt - geführt!), während ein Fernschachspieler die Spielsteine während der Analyse hin und her, vor und zurück bewegen darf.

In einer Schachpartie "Mann + Computer" darf ein Spieler sich nicht in die Rolle eines "Vollstreckers" drängen lassen. Ich bin bereit, gegen jeden derartigen Spieler mit Computer zu spielen, solange die Zugvorschläge des Computers unverändert ausgeführt werden. Überdies bin ich fast sicher, daß ich gewinnen werde. Und ich akzeptiere dabei, daß sein Computer und seine Schach-Engine stärker sind als meine Ausstattung. Meine Behauptung beruht auf Erfahrungen, die ich in einem internationalen Fernschachturnier gesammelt habe, welches in den Jahren 1998 bis '99 per E-Mail ausgetragen wurde. Ich schlug ohne Probleme Spieler, die über leistungsfähigere Computer und Schach-Engines verfügten als ich und belegte dennoch klar den ersten Platz.

In einer Schachpartie "Centaur" (Spieler + Computer) gegen Centaur konkurrieren jedoch MENSCHEN miteinander. Ein Interesse solcher Spieler ist dabei, daß sie einen Weg finden müssen, wie ebenso ausgestattete Spieler besiegt werden können. Diese Aufgabe kann gelöst werden dank eigener Intuition und mit der Hilfe eines "künstlichen Assistenten". Ein Sieg in einer derartigen Partie ist in der Regel nur erreichbar durch viele Anstrengungen, sein bestes zu geben. Und ein solcher Sieg ist dann mehr wert als ein Gewinn durch einen groben Fehler, eine simple Falle oder selbst bessere eröffnungstheoretische Kenntnisse.

Ich betrachte mich selbst keinesfalls als einen "Vollstrecker" wie vor. Aber ich möchte interessantes Schach spielen und grobe Fehler möglichst ausschließen. Ich möchte es genießen, eine Schachposition mit Hilfe einer Schach-Engine zu analysieren, mag aber nicht die Zugvorschläge der Engine stillschweigend akzeptieren. Die Analyse einer Schachposition mit Hilfe einer Schach-Engine ist ein komplizierter Prozeß, weil BEIDE Glieder dieser Kette tragfähig sein müssen.

Wie analysiere ich eine Position? Zunächst einmal muß ich die 4 bis 5 besten Züge mit ihren Abspielen grob kennen.

Schritt 1: In einem ersten Schritt schaue ich mir die Stellung mit eigenen Augen an und versuche, die Zugvorschläge der Schach-Engine mit eigenen Zügen zu ergänzen.

Schritt 2: Ich prüfe alle Zugvorschläge der Engine, indem ich die Züge eines Abspiels ausspiele und dabei die Bewertung der sich ergebenden Stellungsbilder im Auge behalte. Manchmal kommt es durchaus vor, daß sich eine gute Position in eine schlechte wandelt, wenn erst mehrere Züge des von der Schach-Engine vorgeschlagenen Abspiels ausgespielt wurden. Dies bedeutet dann, daß dieses Abspiel irgendwo früher verlassen werden muß. Ich weiche also vom vorgeschlagenen Abspiel ab und behalte erneut die Bewertungen der Engine für die neuen Stellungsbilder im Auge. Und jetzt geht die Bewertung bisweilen nach oben. Aber es ist immer noch zu früh für Schlußfolgerungen, und ich suche nach besseren Antwortzügen für meinen Gegner. Und selbst in Positionen, die der Analyse standhielten, lasse ich meine eigenen Ideen noch einmal von einer Engine nachprüfen. Werden sie widerlegt, akzeptiere ich. Doch so manches Mal liege ich richtig, und erste Zugvorschläge der Engine erweisen sich als falsch.

Schritt 3 - Psychologie: So manches Mal ist es möglich, bei unerfahrenen Spielern die verwendete Engine zu erraten. Dies ist immer dann möglich, wenn ein solcher Spieler nur ein "Vollstrecker" ist. Hier ist eine Gelegenheit, Fallen zu stellen. Man sollte Abspiele suchen (nicht allzu schwer zu tun), die von einer Schach-Engine als sicher bewertet werden, welche sich aber tatsächlich als ungünstig erweisen, sobald sie von einem "Centaur" (Spieler + Schach-Engine) tiefgründig nachgeprüft werden.

Schritt 4 - Endspielintuition: Ich habe es viele Male erlebt. Komplizierte Endspiele werden von einer Schach-Engine oft falsch beurteilt. Aber sobald nicht mehr als 6 Figuren auf dem Brett verblieben sind, ist die Bewertung dank der Nalimov-Endspieldatenbanken wieder korrekt. Der Grundgedanke ist, ein Endspiel so tief wie möglich zu analysieren, um eine Position mit nicht mehr als 6 Steinen zu erreichen. Es ist überhaupt nicht wichtig, welche Zwischenbewertungen von der Schach-Engine ausgegeben werden, man muß nur eine endgültige Bewertung aus den Nalimov-Endspieldatenbanken erhalten.

Was ist die Grundidee des modernen Fernschachs?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns über die Natur des Schachspiels klarwerden. Es ist allgemein bekannt, daß Schach vier Facetten hat:

      • Kunst,
      • Wissenschaft,
      • Sport und
      • Spiel.

Es gibt auch mehrere Arten von Schach: das klassische Schachspiel, Amateurschach, Schnellschach, Blitzschach, Fernschach und Problemschach. Und jede Facette hat in jeder Schachart ein anderes Gewicht.

Schach als Kunst findet sich oft in Partien, die von sehr starken Spielern im klassischen Schach gespielt werden. Insbesondere Problemschach fällt in die Kategorie von Kunst. Sport spielt die Hauptrolle im Blitz- und Schnellschach. Und Amateurschach ist nur ein Spiel.

In einem Spiel mit Standardzeitkontrolle würde ich niemals auf Zeitnot des Gegners spielen. Im Schnellschach hingegen würde ich auch schon mal darüber nachdenken. In einer Blitzpartie dagegen gäbe es keinen Zweifel in dieser Hinsicht!
Beim Spielen über einen Schachserver im Internet würde ich niemals eine Schach-Engine einsetzen. Sport ist Sport. Wenn Zeit ein entscheidender Faktor im Spiel ist, müssen wir dies auch achten. In einer freien Partie wird erwartet, daß zügig gespielt wird; in einer Partie mit Standardzeitkontrolle hingegen kann man auch schon mal 30 Minuten über einen Zug nachdenken. In einer Turnierpartie ist es verboten, den Gegner anzusprechen, im Amateurschach hingegen ist es durchaus Teil des Spiels. Und im Fernschach kann man so lange nach dem besten Zug suchen, wie man will, und dabei alle Art von Unterstützung nutzen.
Ethische Normen für die einzelnen Arten des Schachs sind relativ. Die Lösung eines Schachproblems mit einer Schach-Engine ist dem Spaß an der Sache abträglich. Eine Schach-Engine ist hingegen ein ideales Werkzeug, wenn man die Unlösbarkeit eines Schachproblems nachprüfen will. Auch im Fernschach sind die Facetten Sport, Spiel und Kunst relevant, aber der wissenschaftliche Aspekt spielt wohl die Hauptrolle. Man muß tief in eine Position eindringen, um die Wahrheit zu finden. Es ist einfach zu schwierig, um es ohne EDV-Unterstützung auf wissenschaftliche Weise zu tun. Wenn jemand an einem solchen Job nicht interessiert ist, sollte er Fernschach besser sein lassen. Ja, man sollte das Fernschachspielen gar vermeiden, wenn man es nicht genießen kann.

In der Tat, mit dem Auftauchen starker Schach-Engines wurde eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Und tatsächlich wurde das klassische Schach bereits beschädigt. Der wichtigste Aspekt hierbei ist der Verlust der Möglichkeit, eine Partie zu vertagen und anschließend häuslich zu analysieren. Heutzutage wird jede Partie in wenigen Stunden ausgespielt. Im Ergebnis ist ein Niedergang der Endspielfähigkeiten zu verzeichnen. Das betrifft selbst sehr starke Großmeister. Ein Verbot der Verwendung von Schach-Engines während des Spiels stützt die Anti-Computer-Kampagne. Auf der anderen Seite wird es durch den Fortschritt der neuen Technologien immer komplizierter. Es ist eine direkte Bedrohung für Schach als Sport.
Fernschach hingegen hat keinerlei solche Probleme!

 
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